Agrarische Zeremonien der yukatekischen Maya
Lokalisierung und Ziele des Projekts
Mit dem von der DFG finanzierten Forschungsprojekt „Agrarische Zeremonien der yukatekischen Maya – Strukturen und Inhalte in verschiedenen Regionen Yukatans“ findet eine systematische Untersuchung dieser Rituale statt. Dies zum einen in einem Langzeitvergleich zu von Frau Gabriel durchgeführten Untersuchungen einer Mikroregion im Osten des mexikanischen Bundesstaates Yukatan, zum anderen im Hinblick auf einen synchronen Vergleich mit anderen Regionen der Halbinsel Yukatan, welche ein relativ homogenes Sprach- und Kulturgebiet innerhalb der Mayakultur darstellt.
In der gegenwärtigen Projektphase stehen die Aufarbeitung der Choreographien von Zeremonien aus der Ostregion, deren Analyse und die kulturinterne Interpretation durch die Mayapriester und Bauern im Vordergrund. Daneben werden Zeremonien aus dem Süden Yukatans neu aufgezeichnet, welche dann nach entsprechender Bearbeitung für einen synchronen Vergleich zur Verfügung stehen werden.
Agrarische Zeremonien und damit verbundene Rituale
Untersucht werden die agrarischen Zeremonien der Mayabauern. Diese sind besonders durch eine enge Anbindung an den Agrarzyklus gekennzeichnet. Zunächst sind das alle Zeremonien, welche die Bauern individuell auf ihren Feldern durchführen. Traditionellerweise müssen vor jedem Arbeitsschritt bei der Anlage und Bestgellung der Maisfelder (kòol-o’ob/ milpas) die übernatürlichen Mächte um Erlaubnis gebeten werden, die entsprechenden Arbeiten durchzuführen. Vor der Rodung des Waldes wird dafür um Erlaubnis gebeten, ebenso um Verzeihung für den dadurch entstehenden Schaden und um den Schutz der Personen, damit ihnen kein Schaden zustößt. Ähnliches gilt für das Abbrennen der gerodeten Felder, die Aussaat von Mais und Bohnen und anderer Feldfrüchte. Neben den Bittzeremonien finden nach erfolgreicher Ernte der entsprechenden Produkte Erntedankzeremonien statt, zum einen in individueller Form z.B. für Wassermelonen, Bohnen, vor allem aber für den neuen Mais, das herausragende Subsistenzprodukt der Mayabauern.Ausgeprägter sind die familiären und/oder kollektiven Zeremonien, die als Dank für die erfolgreich abgeschlossene Ernte stattfinden, im yukatekischen Maya han(a)l-i kòol (Essen der milpa) oder wahil kòol (Speisen, Brote der milpa) genannt. Ebenfalls von mehreren Familien zusammen oder vom ganzen Dorf werden die Bittzeremonien für den notwendigen Regen (ch’a’a cháak) durchgeführt. Die kollektiven Zeremonien erfordern immer einen religiösen Spezialisten, den Mayapriester oder h-meen. Dieser leitet die Durchführung der Zeremonien und gibt die entsprechenden Anweisungen an die Teilnehmer, vor allem aber spricht er die Gebete auf Maya, in die teilweise katholische Elemente wie das Vater Unser, das Glaubensbekenntnis oder Rosenkranzgebete integriert sind (diese können auch von anderen Personen gesprochen werden).
Zum Kontext der agrarischen Zeremonien gehören auch die Zeremonien zur Jagd, Bienenhaltung und Viehzucht und im weiteren Sinn auch diejenigen zum Schutz des ganzen Dorfes. Vor der Ernte des Bienenhonigs wird um Erlaubnis dafür gebeten, ein Brauch, der zunehmend in Vergessenheit gerät. Die gilt ebenso für die Jagdzeremonien, sowohl für die individuellen als auch für die gemeinsam durchgeführten, besonders auch deshalb, weil der Wildbestand enorm zurückgegangen ist. So ist in diesem Fall noch der Mayapriester vorhanden, der diese Zeremonie realisieren kann, aber es gibt keine Nachfrage mehr nach dieser Dienstleistung.
Die Schutzzeremonien für die Viehzuchtfarmen finden weiterhin in großen Abständen (bis zu 10 Jahren) auf einigen ranchos statt, aber auch hier ist festzustellen, dass besonders die Teile wegfallen, welche am stärksten an die Mayatradition angebunden sind, d.h. die Rituale im Korral für den Schutzgeist der Rinder. Oft findet lediglich eine limpia, eine „spirituelle Reinigung“ statt ohne die früher durchgeführten spezifischen Rituale für den „Herrn der Rinder“. Im Süden gibt es eine andere Inszenierung dieser Schutzzeremonie, wobei auch hier gilt, dass besonders die traditionellen Sequenzen wegfallen bzw. nur noch zögernd realisiert werden. Allgemein gilt für Zeremonien dieses Typs, dass die Reinigung der Bresche, die das zu schützende Gebiet umgibt, weiterhin fortbesteht. Zu diesem Zweck werden Pflanzen ausgesät, die Unheil abweisen und sich v.a. gegen die „bösen Winde“ (k’ak’as ìik’-o’ob/ vientos malignos) richten.
Die vom ganzen Dorf durchgeführten Schutzzeremonien (loh kah-tal) sind hingegen kaum mehr aufzufinden.
Dokumentation und Analyse
Aufgabe des Forschungsprojekts ist nicht nur die Aufzeichnung und Dokumentation dieser kulturellen Traditionen im Sinne einer Choreo- graphie, sondern auch deren Typologie und Analyse im Hinblick auf Repräsenta- tionen der Maya- kosmologie. Die herausragende Bedeutung von Zahl und Anzahl zeigt sich u.a. an der Anzahl der Opfergaben, wobei 13 die häufigste Anzahl ist. Die Zeremonialbrote haben überwiegend 13 Schichten, was auf die 13 Himmelsschichten bzw. Himmelsgötter der Mayatradition anspielt. Die Anordnung der Opfergaben zeigt neben der Ausrichtung nach Osten (lak’in) und einer Betonung der Ostseite des Altars auch ein anderes Modell kosmolo- gischer Reprä- sentation in der Darstellung des „kosmischen Ideogramms“ mit dem Zentrum und den vier Ecken (kan tu’uk’-il) nicht nur auf dem Altartisch sondern in seiner Ausdehnung auf den Zeremonialplatz insgesamt, wobei der Altartisch selbst das Zentrum bildet.
Im Wettlauf mit der Zeit gilt es den ständigen Konflikt zwischen Ausarbeitung und Analyse und neuen Aufzeichnungen zu bewältigen, da das Durchschnittsalter der Mayapriester weit über 60 Jahren liegt. Meist fehlen Nachfolger für diesen speziellen Beruf, der außerdem noch eine Berufung voraussetzt. Es gilt also vor allem das umfangreiche Wissen der Mayapriester zu den Zeremonien festzuhalten, nicht nur die Gebetstexte, rituellen Handlungen und die entsprechende Liturgie, sondern auch ihre Analyse und Interpretation im Sinne einer kulturinternen Erfassung sowohl in diachroner als auch in synchroner Hinsicht, ehe eine Analyse der Zeremonien und ihres Kontextes im Rahmen der Ritualforschung angegangen werden kann.
Ansprechpartner:
Dr. Marianne Gabriel
E-mail: mgabriel (at) tunku.uady.mx